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Audi will das Fließband abschaffen

Vor mehr als 100 Jahren war es der berühmte Unternehmer Henry Ford, der in seiner Autofabrik in Detroit das Fließband einführte. Diese revolutionäre Innovation ist bis heute maßgeblich für die weltweite Industrieproduktion. Ohne die Assembly Line könnten zum Beispiel keine 90 Millionen Autos jährlich gebaut werden. Ganz im Zeichen der „Industrie 4.0“ plant nun Audifür sein Stamm-werk in Ingolstadt eine neue Revolution, indem man das Fließband abschaffen will. Die Kraftfahrzeuge sollen nicht erst auf der Straße, sondern schon als Karosserie auf dem Weg durch die Fabrik digital vernetzt und autonom unterwegs sein.

 

Hintergrund ist unter anderem die Individualisierung der Neuwägen durch Individualpakete vor allem im Retailbereich. Zu Zeiten Mr. Fords und seiner „Thin Lizzy“ gab es nur eine Ausstattungsvariante, die in großen Stückzahlen im Akkord vom Band ging. Auch der berühmte deutsche Volkswagen „Käfer“ kam mit nur drei Ausstattungsvarianten daher, später kam nur noch das Cabrio hinzu, welches wegen der geringen Stückzahlen aber separat gefertigt wurde. In der heutigen Zeit ist es normal, dass man aus zahlreichen Angeboten sein Wunschauto zusammenstellen kann. Daher ergibt die Fließfertigung immer weniger Sinn. Zu einer anderen Denkweise bei der Wirtschaftlichkeit der Fertigung hat aber auch die zunehmende Digitalisierung der Fertigungsprozesse beigetragen. Dadurch wird es auch im Massenmarkt der Kompakt- und Mittelklassewägen möglich, sein Auto quasi wie einen Maßanzug fertigen zu lassen. Im harten Wettbewerb bieten die Autobauer immer mehr Modelle, Motoren, Varianten und Ausstattungen an. Vor allem aber in der Oberklasse rollen heute praktisch keine identischen Fahrzeuge mehr zu den Werkstoren. Bei der 7er Reihe von BMW gibt es zwischenzeitlich rund zehn Millionen Mög-lichkeiten zur Kombination.

 

Wenn aber das richtige Bauteil am Band fehlt, eine Maschine ausfällt oder die Linie für eine neue Modellvariante umgebaut werden muss, steht gleich die ganze Produktion still, sagt Christoph Stür-mer von der Unternehmensberatung PwC. Der neue Ansatz des Audi Vorstands Waltl sei deshalb aus seiner Sicht „beeindruckend und zukunftsweisend“.

 

In Zukunft werden ca. 200 Montageinseln die bisherigen Fließbänder im Werk ersetzen. Die Karosserie wird von Robotern auf einen Transportwagen gepackt, der sich selbst seinen vorprogrammierten Weg zu den verschiedenen Inseln sucht. Dies ist aber noch nicht alles, die neue Fertigungstechnik kann auf unterschiedliche Auslastungen der „Inseln“ reagieren: „Wie vor den Kassen im Supermarkt, wo sich der Kunde an der kürzeste Warteschlange anstellt, steuert das vernetzte Fahrzeug zunächst die Stationen an, wo die Auslastung niedriger ist“, erklärt der Ingenieur und Innovationsmanager Fabian Rusitschka. Und anders als auf dem Fließband durchfährt das Fahrzeug nur noch jene Stationen, die für den Baufortschritt nötig sind. „Der Kunde in Afrika hat keine Sitzheizung bestellt, also umfährt das Fahrzeug diese Einbaustation“, sagt Rusitschka. Die Türdichtungen sind im Zweitürer schneller montiert als im Viertürer: „Das Fahrzeug verlässt die Station schneller, die gesamte Auslastung wird höher – am Ende des Tages haben wir mehr Fahrzeuge produziert.“

 

Der ganz große Vorteil der Inselfertigung ist aber, dass für eine geänderte Modellvariante kein Band mehr gestoppt und umgebaut werden muss. Die Produktion läuft weiter, während eine neue Montagestation eingerichtet wird. Danach steuern die Fahrzeuge die neue Station an. Das ist äußerst effizient. Alle Daten in der Fabrik der Zukunft laufen in der Steuerzentrale zusammen. Wie der Tower eines Flughafens dirigiert sie die autonomen Transporter, die selbstfahrenden Gabelstapler und Behälter mit den notwendigen Bauteilen. Sogar Drohnen testet Audi schon im Stammwerk Ingolstadt – im Notfall könnten sie kleinere Bauteile rasch an Ort und Stelle bringen.

 

Bei Audi rechnet man mit rund 20 Prozent mehr Produktivität. Beim Bau von Nischenfahrzeugen wie dem Sportwagen R8 in Neckarsulm bei Heilbronn hat die modulare Montage das Fließband schon abgelöst, als nächstes soll sie im ungarischen Motorenwerk Györ getestet werden. „Sie stellt also keine Zukunftsmusik mehr dar“, sagt Vorstand Waltl.

Audi ist damit Vorreiter nicht nur im VW-Konzern. Bei BMW und Daimler gibt es – noch – keine derartigen Pläne.

 

Für die Mitarbeiter in der Fertigung dürften sich vor allem Vorteile aus diesem Switch ergeben. Jeder Fabrikarbeiter weiß, was für ein Stress entstehen kann, wenn man eingebunden in den Akkord arbeiten muss“. An manchen Bändern im VW-Konzern werde ein 60-Sekunden-Takt gefahren. Auf der Montageinsel aber können auch alte und behinderte Mitarbeiter mithalten – keiner muss mehr befürchten, die anderen aufzuhalten oder gar einen Bandstopp zu verursachen. Dies wird sich positiv auf die Psyche der Mitarbeiter auswirken. Dass niemand bewusst trödelt, dafür sorgt schon die soziale Kontrolle auf den Fertigungsinseln.

 

Audi Vorstand Waltl würde gerne Henry Ford auf eine Zeitreise in die Gegenwart abholen und ihn nach der Führung durch die neuen Montagehallen fragen, was seine Meinung dazu ist.

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Herr Daniel Stock d.stock(@)top-jobs-europe.de