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Fachkräftemangel, unbesetzte Lehrstellen und Arbeitsmigration: wie passt das zusammen?
Der Beginn der sogenannten Flüchtlings- oder Migrationskrise jährte sich gerade zum zweiten Mal, Fachkräftemangel und unbesetzte Lehrstellen beschäftigen die deutsche Gesellschaft schon seit vielen Jahren. Gerne hörte man von der Politik, aber auch den einflussreichen Lobbyverbänden der Arbeitgeber, dass die gewaltige Migration von Nahost und Afrika nach Europa viele Chancen zur Abfederung der Nachwuchsprobleme bei Ausbildungen und Young Professionals im akademischen Bereich zur Sicherung des erreichten Wohlstands in Mittel- und Nordeuropa dienen kann. Sicherlich ist eine differenzierte Sicht auf die Ereignisse, welche die europäischen Gesellschaften auf jeden Fall nachhaltig verändern werden, richtig und notwendig. Fernab des Wahlkampfgetöses verschiedener Couleur bleibt objektiv festzuhalten, dass die Neuankömmlinge weder alle kriminell sind, noch alle für die Arbeitsmärkte sofort als Ersatz für die alternden Bevölkerungen auf unserem Kontinent 1:1 zur Verfügung stehen. Auch ist es zunächst wichtig zu unterscheiden, wer dauerhaft sesshaft werden möchte und wer tatsächlich als Flüchtling sich und seine Familie während eines Krieges in Sicherheit wissen möchte um dann in die Heimat zurückzukehren. Nachdem sich der Rauch der politischen Auseinandersetzung gelichtet hat, konnte bereits in den vergangenen Monaten eine ergebnisorientierte Debatte geführt werden, die meist aber nicht so präsent in den Medien, vor dem in den sozialen Netzwerken ist. Daher lohnt es sich, einige Aspekte näher zu beleuchten.
Mit Blick auf Deutschland scheitert das, was sich nach einer Chance auf Vollbeschäftigung und Integration anhört, in Wirklichkeit oft an bürokratischen Hürden und Sprachbarrieren.
Aus Berlin wurden Zahlen durch die Bundesagentur für Arbeit bestätigt, dass im Juli 2017 knapp 28.000 Flüchtlinge als arbeitssuchend registriert waren. Im Jahr 2016 waren es noch rund 14.000 und damit ca. die Hälfte. Bemerkenswert ist, dass zwar die absolute Mehrzahl der Flüchtlinge nur über eine geringe Qualifikation verfügt, besitzt fast ein Drittel der arbeitslos gemeldeten Flüchtlinge (8505) mindestens die Hochschulreife, darunter sind auch akademische Absolventen.
Zunächst die große bürokratische Hürde der Arbeitserlaubnis zu nehmen. Hier zeigt sich vor allem der Umstand, dass all jene mit dem Terminus Flüchtling belegten Menschen keine homogene Gruppe sind, die man über einen Kamm scheren kann, sondern dass es u.a. darauf ankommt, welcher Aufenthaltsstatus angestrebt wird oder bereits erworben wurde. Wenn das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, haben die Betroffenen zwar eine vorläufige Aufenthaltsgestattung, damit aber noch keine Arbeitserlaubnis. Noch schwieriger ist es bei Geduldeten. Hier muss der Arbeitgeber theoretisch fürchten, dass ein neuer Mitarbeiter aus dieser Gruppe vom Arbeitsplatz weg in Abschiebehaft genommen oder direkt ins Flugzeug gesetzt wird. Diese Fälle sind selten, aber unter dem politischen Druck werden die zuständigen Ämter strikter. Aber es handelt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher um Ausnahmen. Wer sein Asylverfahren erfolgreich hinter sich gebracht hat und dann auch über eine Arbeitserlaubnis verfügt, kann mit mehreren Jahren sicheren, legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland rechnen.
Der eigentliche Hauptgrund bei den Beschäftigungshemmnissen ist so trivial wie logisch. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist es sinnlos, an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Oftmals werden Migranten in diese Kurse gesteckt, denen sie rein sprachlich nicht folgen können. Ressourcenverschwendung und Frust sind hier die Schlagworte.
Auch schwierig gestaltet sich die Transformation der ausländischen Bildungsabschlüsse. Lange hat es gedauert, bis man sich innereuropäisch auf Regeln geeinigt hatte. Warum sollte es bei irakischen oder somalischen Abschlüssen besser sein? Am einfachsten ist es sicherlich bei den handwerklichen Berufen, weil die Zusatzqualifikationen in der Regel nicht so umfangreich sind und umfassende Sprachkenntnisse in der Praxis nicht allentscheidend sind. Wer kennt nicht das Sprachgewirr auf Baustellen oder an den Werkbänken? Schwieriger ist dann schon bei akademischen Berufen wie Medizin oder Pharmazie. Hier liegen in Deutschland allgemein hohe Standards an, weil es um die Gesundheit der Menschen geht. Außerdem muss man in den akademischen Berufen viel höhere Sprachanforderungen auf dem Level C1 mindestens erfüllen, um einen Berufseinstieg zu finden, oder um an einer Hochschule noch einmal ein Studium aufzunehmen oder sich weiter zu qualifizieren.
Doch selbst bei gutem Willen des Einwanderers hängt die Möglichkeit einer Kursteilnahme von der Bleibeperspektive ab. Dies ist natürlicherweise so eingerichtet, denn wer mit großer Wahrscheinlich Deutschland wieder alsbald verlassen muss, der sollte nicht Steuermittel durch Kursbesuche in Anspruch nehmen können, die auf einen längerfristigen Aufenthalt oder gar eine Niederlassung in Deutschland ausgelegt sind. Oftmals hängt das Angebot auch von der konkreten Region und auch von privaten Initiativen ab, ob man in den Genuss dieser Qualifizierungsmaßnahmen kommt.
Andererseits haben es seit der Wiedervereinigung junge Leute noch nie so leicht gehabt, einen Ausbildungsplatz zu finden. Auch in den neuen Bundesländern, z.B. Sachsen gebe es rechnerisch derzeit pro Bewerber 23 freie Lehrstellen. Vor allem die handwerklichen Betriebe in allen Regionen Deutschlands haben zunehmend größere Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden, weswegen von den Handwerkskammern seit einiger Zeit umfangreiche Werbekampagnen gefahren werden, um dem ungerechtfertigt verstaubten Image entgegenzuwirken. Die Lösung, vor allem nach den Grenzöffnungen 2015 scheint so banal wie genial: warum nicht jungen Flüchtlingen mit einer handwerklichen Ausbildung eine echte Chance auf Integration geben und zugleich den Betrieben ihre perspektivischen Sorgen nehmen?
So einfach ist das aber nicht und es dreht sich bei weitem nicht alles um den berüchtigten Behördendschungel. Um der fachpraktischen Ausbildung im Betrieb und auch der Theorie in den Berufsschulen folgen zu können, ist natürlich wieder das schon erwähnte Sprachniveau entscheidend. Dabei ist manchmal die Verzweiflung auf beiden Seiten – Handwerk und Migranten – groß: es gibt immer wieder Fälle von abgelehnten Asylbewerbern, die versuchen, über die sogenannte Ausbildungsduldung ein letztes „Ticket“ auf eine Aufenthaltserlaubnis zu lösen.
Umgekehrt werden immer wieder Fälle von hochqualifizierten Flüchtlingen bekannt, die sogar über international anerkannte akademische Abschlüsse verfügen und für die Angebote der Jobcenter gewissermaßen überqualifiziert sind. Ein Syrer, der an einer westlichen Universität vor Beginn des Bürgerkriegs Architektur studiert hatte, bekam die üblichen Vorschläge aus den Bereichen Gastronomie, Bar, Hotels unterbreitet. Anstatt aufzustecken, hat er sich dort sogar gemeldet, doch oft überhaupt keine Antwort der Arbeitgeber bekommen. Mittlerweile werde er zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, sodass er optimistisch sei, die passende Stelle zu finden. Er sieht das als Übergang und die Möglichkeit, sein eigenes Geld zu verdienen, wie er es in der Heimat gewohnt war. Auch denkt er darüber nach, in Deutschland ein Aufbaustudium an einer Technischen Universität zu beginnen, nachdem nun sein Reifezeugnis erkannt worden ist. Dies unabhängig davon, ob er in Deutschland dauerhaft bleibt, oder ob er, wie so viele seiner Landsleute, nach einer Befriedung der Heimat nach Hause zurückkehren wird.
Herr Daniel Stock d.stock(@)top-jobs-europe.de