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Umgang mit Low-Performern – Peitsche oder neue Perspektive?
Geschätzt 10 % aller Arbeitnehmer sind sogenannte Low-Performer. Diese Klientel ist immer wieder Gegenstand von hitzigen Debatten in Führungsgremien oder auch vermeintlich guten Ratschlägen durch Personal- und Unternehmensberater. Man sollte das Phänomen aber zunächst einer Analyse unterziehen. Um welche Personengruppen handelt es sich? Und wie wird ein Arbeitnehmer überhaupt ein Low-Performer?
Trotz der vielfältigen Gründe, die sowohl im beruflichen Umfeld als auch im privaten Bereich liegen können, erscheint es schon für den gesunden Menschenverstand logisch, dass statistisch gesehen 4,3 Millionen Arbeitnehmer hierzulande sich nicht bewusst dafür entscheiden, im Beruf weniger oder schlechte Arbeit zu leisten. Man wird gewissermaßen nicht als Low-Performer geboren und auch das Charakterbild des „Bluffers“, der es nach erfolgreichem Ende der Probezeit darauf anlegt, möglichst wenig zu arbeiten, ist eher die Ausnahme. In der Regel geht einer dauerhaft schlechten Performance am Arbeitsplatz eine längere Entwicklung voraus. Die Ursachen sind vielfältig. Hat es berufliche Gründe, so handelt es sich oftmals um Mitarbeiter, die zu einem bestimmten Zeitpunkt „innerlich gekündigt“ haben. Dies kann plötzlich wegen eines Vertrauensverlusts zu Vorgesetzen oder Kollegen, oder aber auch allmählich z.B. wegen mangelnder Aufstiegschancen im Unternehmen oder monotoner Arbeit passieren. Natürlich hängt es auch davon ab, ob das Aufgabenfeld zur betroffenen Person passt. Meist übt man als Arbeitnehmer in unserer gefühlt immer schnelllebigeren Zeit nicht mehr über Jahrzehnte dieselben Tätigkeiten innerhalb ihres Berufsbildes aus, sondern vielfältige Ursachen können lange unbemerkt zu steigender Frustration führen. Wenn eine neue Software eingeführt wird und der Arbeitnehmer damit nicht richtig umgehen kann, oder der Arbeitnehmer wegen einer Neueinteilung von Business Units sich plötzlich in einem neuen Umfeld befindet und der Wechsel dorthin nicht ganz freiwillig war. Auch eine gängige Ursache ist das Gefühl, bei einer Beförderung aus dem Team heraus nicht berücksichtigt und somit subjektiv benachteiligt worden zu sein. Ob nun objektive Gründe dafür sprachen oder nicht, spielt für den betroffenen Arbeitnehmer zunächst keine Rolle. Mangelnde Anerkennung, also die Erkenntnis, dass auch hervorragende Leistungen weder Lob finden, noch finanzielle Auswirkungen hat, lässt Engagement erschlaffen. Dies alles kann zum Motivationskiller werden. Der Arbeitnehmer bringt sich so meist selbst in eine ungute Spirale, die dann oftmals Langeweile und Frust verursacht.
Somit handeln Low-Performer in nahezu allen Fällen nicht aus egoistischer Boshaftigkeit, sondern dieses Verhalten ist vielmehr logisch konsequentes Handeln in einem spezifischen Umfeld. Die einzige Ausnahme bilden Mitarbeiter, die tatsächlich nicht über die Fähigkeiten verfügen, die sie für die Erfüllung der Anforderungen einer Position benötigen. Doch dann hat das vielmehr mit einer Fehlbesetzung und Versagen im Auswahlprozess zu tun. Und auch hier wäre mehr Härte der Vorgesetzten wohl das schlechteste Mittel der Wahl.
Hart durchzugreifen ist keine Führungskompetenz, sondern Ausdruck von Hilflosigkeit
Immer wieder liest man in Artikeln und Blogs zu HR-Themen, dass Vorgesetzte bei dauerhaft schlechten Leistungen der Untergebenen hart durchgreifen müssten. Den Chefs wird dann pauschal vorgeworfen, zu konfliktscheu zu sein und dazu ermuntert, schlechte Leistungen stärker zu sanktionieren, Low-Performer abzumahnen und im Ernstfall zu kündigen. Low-Performer werden dann meist als Bluffer, Querulanten und notorische Leistungsverweigerer bezeichnet. Die Frage, warum und wann sich Angestellte entscheiden, überhaupt zu Low-Performern zu werden, scheint hier irrelevant. Wer nicht leistet, wird auf mannigfaltige Weise bestraft. Diese Haltung scheint für die heutige Arbeitswelt überholt. Das Erkennen der Ursachen ist der richtige Ansatz zu Lösungen, was Mitarbeiter wirklich motiviert um (wieder) einen guten Job zu machen.
Zunächst einmal sollte man definieren, was einen Low-Performer überhaupt ausmacht. In unserer leistungsgetriebenen Gesellschaft hat man manchmal das Gefühl, nur von Karrieristen mit einer gehörigen Portion Selbstaufgabe zu Gunsten des Jobs umgeben zu sein. Aber dieser Eindruck täuscht, denn mehrheitlich haben wir es tatsächlich mit den berühmten „nine-to-five-Jobber“ zu tun, der gerne arbeitet, aber nicht bereit ist, etwa Familie und Freizeit dauerhaft für berufliche Ziele zu opfern. Führungskräfte legen diese Sichtweise gerne als Ambitionslosigkeit aus. Ist jemand, der sein eigenes Überstundenkonto bewusst im Rahmen hält, ein Low-Performer?
Im eigentlichen Sinne nicht, denn auch Menschen, die ihre Work-Life-Balance aktiv gestalten und somit im Zweifel auf berufliche Aufstiegsmöglichkeiten verzichten, sind in der Regel verlässliche und treue Mitarbeiter, denen ihre Aufgaben Spaß machen und diese auch richtig gut erledigen.
Man muss verstehen, dass für jeden von uns im Beruf andere Werte wichtig sind, die uns antreiben und damit über unsere Arbeitsintensität entscheiden, uns jedoch nicht automatisch zu guten oder schlechten Mitarbeitern oder gar Menschen machen.
Aber natürlich gibt es jene Kollegen, die schlechte Leistungen erbringen, Aufgaben lieber anderen Kollegen zuschieben, sich auch sonst einen schlanken Fuß machen, die sich weigern, Verantwortung zu übernehmen oder regelmäßig vorher festgesetzte Termine verstreichen lassen. Die Montags-Blaumacher, Urlaubsoptimierer, und Faulenzer. Jene also, die das Wort Team mit „toll ein anderer machts“ übersetzen und auch in höheren Etagen zu finden sind: Führungskräfte du hier vor allem im mittleren Management, die in den unüberschaubaren Tiefen mancher Hierarchiegefüge ihr sicheres Kästchen im Organigramm hüten und nach Möglichkeit eine ruhige Kugel schieben. Low-Perfomer gibt es überall, ob im kleinen Familienbetrieb oder im Großkonzern. Sie bleiben dauerhaft unter ihren Fähigkeiten und gesetzten Zielen, machen Fehler und haben schlechten Einfluss auf die ganze Abteilung.
Doch wie begegnet man diesem Phänomen? Die vermeintlich einfache Lösung ist es, auf diese Arbeitnehmergruppe im Sinne von Härte den Kampf anzusagen, sie abzumahnen und Ihnen in der mittleren Folge zu kündigen. Viele Entscheider sehen in dieser Gruppe eine Gefahr für die Motivation im Ganzen Team. Damit haben Sie nicht Unrecht, nur stellen sie das Problem unbewusst auf den Kopf. Nicht die Ursachen, sondern die Symptome werden dadurch bekämpft. In Zeiten von Fachkräftemangel in manchen Branchen und Regionen und ohnehin schon hoher natürlicher Fluktuationsraten macht man es sich zu einfach. In Mitteleuropa spüren wir mal wieder die Endlichkeit der verfügbaren Arbeitskraft. Diesmal nicht als Konsequenz eines großen Krieges mit seinen vielen Toten im erwerbsfähigen Alter, sondern bereits seit den 1990er Jahren schleichend auf Grund der demographischen Entwicklung hin zu einer alternden Gesellschaft mit zu wenig Nachwuchs. Dieses Thema wird im Zuge der Rentendebatten immer wieder umfangreich diskutiert, sollte aber auch hier berücksichtigt werden, damit man sich die Mühe macht, Ursachen zu beheben und in Low-Performern von heute die High-Potentials von morgen zu sehen. Damit soll keinem Laissez-faire bei der Führung das Wort geredet werden. Gerade ein nicht mehr erkennbarer Führungsstil kann gerade auch wieder Teilursache für Low-Performance sein. Arbeitnehmer wünschen sich ausreichend große Handlungs- und Entscheidungsspielräume in ihrem Umfeld und nicht den „harten Hund“, der alles penibel vorgibt und spürbar kontrolliert. Ein Rückfall in alte, autoritäre Strukturen ist also auch nicht die Lösung.
Man sollte als Chef also sehr genau hinsehen und nicht einfach blind austeilen: eine Analyse, warum ein Mitarbeiter bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt, ist unabdingbar für nachhaltige Lösungen. Hierbei sollte man nicht in seinem Chefbüro rätseln, sondern in die Offensive gehen und den betroffenen Mitarbeiter im Rahmen eines persönlichen Gesprächs in vertraulicher Atmosphäre mit seinen Beobachten und Feststellungen konfrontieren. Es hat sich bei der Gesprächsführung eine Mischung aus Verständnis und Fordern als sinnvoll herauskristallisiert. Auch ist es wichtig, dem Mitarbeiter Offenheit entgegenzubringen, damit dieser sich frei äußern kann. Dies könnte mit unbekannten privaten Gründen (Trennungen, Krankheit eines Elternteils etc.) oder aber auch oftmals mit dem Vorgesetzten selbst zu tun haben. Die Möglichkeit für den Mitarbeiter, auch Kritik am Vorgesetzten in sachlicher Weise vortragen zu können, sollte bei der Gesprächseinleitung schon erwähnt werden. Jedes Verhalten ist in einem Kontext sinnvoll – auch das Verhalten eines Low-Performers. Wer einseitig den harten Chef spielt, wird alles das nicht erkennen und lösen können.
Sehr oft entgeht aber vor allem Führungskräften der mittleren Ebene, ob ihre eigenen Unterstellten fachlich über- oder auch unterfordert, überlastet oder gelangweilt, frustriert oder erschöpft sind. Fragt man bei Führungskräfteseminaren oder anderen Evaluationen nach, ob diese Chefs denn wissen, was ihren Mitarbeitern wichtig ist und was sie in Sachen Führung benötigen, um gute Leistungen zu erbringen, haben viele eine ungefähre Ahnung im Sinne einer groben Strategie, können diese Fragen aber nicht klar beantworten. In der Regel fühlen sich die Manager dieser Ebenen selbst wie der sprichwörtliche Hamster im Laufrad und fehlt der geweitete Blick auf das große Ganze.
Wer sich als Vorgesetzter dazu entscheidet, Low-Performer nicht einfach abzuschreiben, sondern daran glaubt und ein echtes Interesse daran hat, auch solche Mitarbeiter wieder motivieren und weiter entwickeln zu können, der muss an die Ursachen ran und versuchen, mit den Kollegen gemeinsame Lösungen zu finden, zum Beispiel indem man konkrete Ziele neu definiert. Wer dabei mit fachlicher Führung betraut ist, muss in jedem Fall die Leitplanken vorgeben und seine Mitarbeiter entsprechend ihrer individuellen Kenntnisse, Fähigkeiten, Talente und persönlichen Wertevorstellungen einsetzen.
Herr Daniel Stock d.stock(@)top-jobs-europe.de